Im ersten Teil der Beitragsserie haben wir uns mit grundlegenden Fragen beschäftigt, die für eine erfolgreiche SAP S/4HANA-Implementierung entscheidend sind. Dabei ging es um zentrale Fragen rund um die verschiedenen SAP S/4HANA-Auswirkungsebenen, wie SAP-Infrastruktur, Datenmigration, Datenintegration und Anwendungsprozesse.
Im zweiten Teil haben wir uns von den allgemeinen Mehrwerten einer SAP S/4HANA-Transformation zu den kundenspezifischen Werten vorgearbeitet, die anhand des Fallbeispiels eines Maschinenbauunternehmens erläutert wurden.
Lassen Sie uns nun vertieft betrachten, wie der potenzielle Mehrwert eines Unternehmens auf Anwendungs- und Prozessebene überhaupt erst identifiziert werden kann, um ihn dann im Rahmen der Programmvorplanung zu bewerten und je nach Mehrwert und Umsetzungsrisiko unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten in die einzelnen Umsetzungstranchen einfließen zu lassen.
Um die Diskussion auf das Wesentliche zu fokussieren, ist es notwendig, frühzeitig zwischen verpflichtenden Änderungen (verpflichtend bei der Migration von ECC auf S/4HANA) und optionalen Änderungen (Zusatznutzen durch Ablösung von Legacy oder Einführung neuer Funktionalitäten) zu unterscheiden.
Mandatory Changes during the migration to S/4HANAObligatorische Änderungen während der Migration zu S/4HANA
Die folgenden Applikatonsthemen sind in erster Linie als funktional zwingend für die Migration anzusehen und daher nicht verhandelbar, sofern sie nicht bereits in Vorprojekten umgesetzt wurden:
Einführung des Neuen Hauptbuchs (NewGL): SAP S/4HANA führt eine vereinfachte und vereinheitlichte Hauptbuchstruktur ein, die als NewGL bekannt ist. Kunden müssen ihre bestehenden Hauptbuchdaten migrieren und ihre Hauptbuchkonfiguration an das NewGL-Framework anpassen.
Einführung des Geschäftspartners: SAP S/4HANA ersetzt die separaten Kunden- und Lieferantenstammdaten durch eine einheitliche Entität namens Geschäftspartner. Kunden müssen ihre bestehenden Kunden- und Lieferantenstammdaten in das Geschäftspartnermodell migrieren und die damit verbundenen Prozesse und Transaktionen entsprechend anpassen.
Umstellung auf Universal Journal: SAP S/4HANA konsolidiert Finanzbuchhaltungs- und Controllingdaten in einer einzigen Tabelle, dem Universal Journal. Kunden müssen ihre bestehenden Buchhaltungsdaten in das Universal Journal-Format konvertieren und die Berichts-, Analyse- und Abstimmungsprozesse anpassen, um die neue Architektur nutzen zu können.
Einführung des Material-Ledgers: SAP S/4HANA rationalisiert die Bestandsbewertungsprozesse durch die Material-Ledger-Funktionalität. Kunden müssen ihre bestehenden Material-Ledger-Konfigurationen und -Prozesse an die vereinfachten Funktionen in S/4HANA anpassen, sofern dieser Ledger funktional bislang notwendig war oder in der neuen Funktionsanforderung (z.B. Product Costing) notwendig wird.
Umstellung auf die Neue Anlagenbuchhaltung: SAP S/4HANA bietet ein vollständig erneuertes Modul für die Anlagenverwaltung, das von den Kunden verlangt, dass sie ihre bestehenden Prozesse, Konfigurationen und das Stammdatenmanagement der Anlagenbuchhaltung an die neuen Funktionalitäten und die neue Architektur anpassen.
Beseitigung von Legacy-Transaktionen und -Funktionalitäten: SAP S/4HANA entfernt bestimmte Legacy-Transaktionen und -Funktionalitäten, die nicht mehr unterstützt werden oder nicht mehr relevant sind. Kunden müssen alle veralteten Transaktionen oder Funktionalitäten identifizieren und durch aktualisierte Äquivalente ersetzen, die in S/4HANA verfügbar sind. Dies muss bei der Verwendung der Ergebnisse des Readiness-Checks in Bezug auf die sogenannten Simplification Items und die Anforderungen an die Anpassung des benutzerdefinierten Codes (Custom Code) berücksichtigt werden.
Umstellung auf die SAP Fiori-Benutzeroberfläche: SAP S/4HANA fördert die Verwendung der SAP Fiori-Benutzeroberfläche für eine verbesserte Benutzererfahrung. Kunden müssen ihre bestehenden Benutzeroberflächen anpassen, da die frühere Nicht-Fiori-Transaktion nicht mehr vorhanden ist.
Benefit Mapping zur Vorbereitung der S/4HANA Roadmap
Um einen strukturierten Rahmen für die Ausrichtung der Projektziele an den strategischen Unternehmenszielen zu nutzen, hat der Kunde im vorliegenden Beispiel vor der Planung seines SAP S/4HANA-Projekts in Implementierungstranchen das Benefit Mapping des Managing Successful Programmes (MSP)-Ansatzes verwendet.
Durch die Verknüpfung von Mehrwerten bei den optionalen Transformationskomponenten stellen Sie sicher, dass jede Welle des SAP S/4HANA-Projekts direkt zu den übergeordneten Geschäftszielen (dargestellt durch die langfristigen OKRs) beiträgt, wie z. B. die Steigerung der Effizienz, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit oder die Verbesserung der Rentabilität. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Ressourcen effizient zugewiesen werden und der Schwerpunkt auf der Erzielung des größten Wertes zu Beginn des Projektlebenszyklus liegt. Bei einer SAP S/4HANA-Implementierung könnte dies bedeuten, dass Module oder Funktionen priorisiert werden, die unmittelbare Geschäftsbedürfnisse oder Schmerzpunkte ansprechen.
Das Value Dependency Network muss von zwei Seiten her interpretiert werden:
von rechts zur Beantwortung der Frage "WARUM verändern wir die Fähigkeiten?"
von links, um zu umreißen, "WIE wir die Fähigkeiten durch Projektströme innerhalb des Transformationsprogramms verändern".
Dieser proaktive Ansatz ermöglicht es den Projektmanagern, potenzielle Hindernisse bei der Realisierung von Mehrwerten zu antizipieren und entsprechende Abhilfestrategien zu entwickeln. Im Kontext eines SAP S/4HANA-Projekts könnte dies bedeuten, dass potenzielle Herausforderungen bei der Integration oder der Datenmigration frühzeitig erkannt werden und darüber hinaus eine gemeinsame Sprache für die Diskussion von Projektzielen und -ergebnissen geschaffen wird, um die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu fördern.
Nachdem die wichtigsten Nutzenkarten erstellt wurden, wurde jedes der (Teil-)Projekte hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Dimensionen des
Mehrwert für den Erfolg des Unternehmens
Einfachheit der Umsetzung (um auch potenzielle Risiken zu berücksichtigen)
im untenstehenden Koordinatensystem abgetragen.
Infolgedessen können alle potenziellen Programmkomponenten in einem 4-Quadranten-Modell je nach Grad des Mehrwerts oder der Einfachheit der Umsetzung in Mehrwert und Machbarkeit dargestellt werden. Die orangefarbenen Quadrate zeigen die obligatorischen Komponenten eines Programms an, während die blauen Rauten eher die optionalen, aber oft sehr relevanten (Teil-)Projekte in Bezug auf den Mehrwert darstellen. Es ist selbstsprechend, dass im vorliegenden Fall die Programmkomponenten in der Kombination "wenig Mehrwert - hoher Schwierigkeitsgrad in der Implementierung" (Quadrant unten links) in der Priorisierung weit nach hinten geschoben wurden, während es beim Quadranten oben recht (hoher Mehrwert - geringer Schwierigkeitsgrad in der Implementierung) in der Programmplanung neben den Pflichtbestandteilen präferiert eingeplant wurden.
Danach ist es an der Zeit, das gesamte Programm entsprechend den Ergebnissen des Value Mapping und dem geltenden Budget zu planen. In unserem Beispiel folgt die Programmplanung der Idee, dass das Programm zunächst sicherstellt, dass die obligatorischen Programmkomponenten auf dem kritischen Pfad implementiert werden.
Komponenten, die eine Voraussetzung für die spätere Umsetzung von Programmkomponenten mit sehr hohem Mehrwert sind, werden ebenfalls so früh wie möglich umgesetzt. Der Rest des Programms (in diesem Fall bis Ende 2027) wird in verschiedenen agilen Umsetzungstranchen entsprechend der Prioritäten auf Basis des Value Mapping umgesetzt und entsprechend terminiert.
Bei der Erstellung eines ganzheitlichen SAP S/4HANA-Programmplans hängt der Erfolg von einigen logischen Schritten ab: Ableitung des Nutzens aus den OKRs, Zuordnung zu den Programmergebnissen und Unterscheidung zwischen obligatorischen und optionalen Elementen. Durch eine transparente Bewertung, Priorisierung und Berücksichtigung von Abhängigkeiten können Unternehmen eine strukturierte Roadmap erstellen, die nicht nur den Projekterfolg sicherstellt, sondern sich auch nahtlos in die strategischen Ziele einfügt.
Dieser Ansatz fördert ein dynamisches, agiles Umfeld, in dem jeder Programmpunkt einen sinnvollen Beitrag zu den übergreifenden Zielen leistet und letztlich den transformativen Erfolg des Unternehmens fördert.
Fortsetzung folgt....
Michael Philipzen
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